Erfahrungen mit Medienpädagogik anhand von radio4you

Von Roland Czernitc

Radio for you (R4U) ist unser Schülerradio. Ein Radio von Schülern für Schüler, das alle 1 bis 2 Wochen eine 15 minütliche Indoorradiosendung ausstrahlt. Die Sendungen sind aus mehreren Bausteinen aufgebaut, meistens Musikbeiträgen, Informationen zu bestimmten Themen, kleinen Hörspielen, Interviews oder Expertenbeiträgen, Schulinfos und Moderation. Die Sendung wird live in einer 2 stündlichen UÜ aufgenommen. Sendungsbeiträge und Informationen werden unter der Woche von den Kindern und mir gesammelt, und daraus wird das Sendekonzept erstellt. Neben dem Indoorradio machen wir noch Sendungen für die Radiobande die von Orange 94.00 ausgestrahlt werden. Und zu guter Letzt veranstalten wir vom R4U noch ca. 3 Schulfeste im Jahr, die von den Radiokids moderiert werden.

Als Schülerradio sind wir mit anderen Hörgewohnheiten konfrontiert als normale Radios. Für unsere Hörer stellt das Radio nicht nur einen Klangteppich nebenbei dar, sondern sie sind äußerst kritische Zuhörer. Viele Kids sagen auch, daß sie die Beiträge mögen, weil sie gut zu verstehen sind. Mit den Informationen kommerzieller Medien können sie oft wenig anfangen. Schülerradio betrachten sie als ihr Radio, dem sie auch vertrauen. "Dürfen mir Lehrer das Schminken verbieten?", "Nationalismus", "Serbien soll nicht sterbien", "Geschlagene Kids", "Alkohol", "Anmachen wie geht das", "Weihnachten einmal anders" usw., so lauten unsere Themen. Oft sind es aktuelle Anlässe, wie z.B. "Streit in der 3b", über die wir Sendungen machen. Nach der Sendung werden die Radiomacher oft auf die Sendung angesprochen und müssen den Hörern natürlich Rede und Antwort stehen.

Radiomacher sein heißt auf jeden Fall ein kleiner Star zu sein in der Schule, schließlich kann mensch da seine Meinung verbreiten, seine Musik spielen, Theater spielen, moderieren uvm. Und unsere Radiomacher nehmen ihre Sache sehr ernst. Wenn die Vorbereitungszeit reicht, wir stehen ja ständig unter Sendestreß, suchen sie Infos aus dem Internet, befragend die Eltern oder machen Interviews mit Experten. Bei vielen Themen sind die Kids auch froh, selbst Infos zu bekommen, bzw. endlich über verschiedene Themen informiert zu sein. Sie fühlen sich oft von der Informationsflut, z.B. aus dem Internet überrollt. Bei tausenden Seiten die eine Suchmaschine im Durchschnitt findet ist das auch kein Wunder. Besonders verunsichert sind sie durch die diversen Sexseiten im Internet, die sie natürlich interessieren. Zum Teil sind sie einfach schockiert, und zum Teil fühlen sie sich ziemlich unter Druck gesetzt, wenn sie diese Praktiken auf ihre Vorstellungen beziehen. "Muss ich das auch tun?" "Ist das der Standard?"

Eine weitere Sache, die Kids sehr verunsichert sind einseitige Medienberichte. "Wir Serben sind ja gar nicht so", "Europa hasst die Serben" Wenn Kinder im TV zusehen können, wie Natobomber ihre Heimat im Zielradar erfassen, dann sind sie ordentlich verunsichert. "Gibt es in Österreich nur eine Meinung?" Den Medienmainstream finden die Radiokids auch in vielen anderen Punkten ziemlich uninformativ, weil sich ihre Erfahrungen meistens darin nicht sehr gut einsortieren lassen.

Neben dem Radiomachen schätzen die Kinder unserer Schule ganz besonders unsere Schulfeste. Für die Radiomacher die unsere Feste moderieren heißt das natürlich live zu zeigen was man kann, und seitenweise schreiben Texte und lernen Darum verlaufen unsere Vorbereitungen, jedes Fest hat ein Thema, auch ungefähr so hektisch als würden wir die Oskars verleihen. Für die Akteure bedeutet das vor allem üben, üben üben. Die Zuseher werden ja von Fest zu Fest anspruchsvoller, und erkennen sofort, wenn eine Tanzgruppe nicht genug trainiert hat. Die Kids können es nicht leiden, wenn ihnen jemand auf ihrem Fest was vormachen will, weil er nicht genug trainiert hat. Kann einer wirklich nicht so gut singen tanzen oder spielen, ist die Kritik meistens nicht negativ, und die Kids bewundern den Mut zum Auftreten. Darum finden sich auch bei jedem Fest ca. 30 bis 50 Kids, die ihre Beiträge aufführen wollen. Schließlich braucht jeder mal das Gefühl ein Star zu sein. Ich glaube, unserer Schule würde einiges fehlen, wenn wir die Feste nicht hätten. Die Kinder betrachten die Feste als Angebot der Schule für sie, und natürlich resultiert daraus auch eine bestimmte Wertschätzung der Schule allgemein.

Medienpädagogik - kein alter Hut!!!

Bei den ausgeübten Freizeitbeschäftigungen zu Hause finden sich Printmedien, Radio, Fernsehen und Computer auf den vorderen Plätzen. Insgesamt werden etwa 70 % der häuslichen Freizeit mit diesen Medien verbracht.

Angesichts dessen, dass 70% der Freizeit mit verschiedensten Medien genutzt werden, und per Mediennutzung der Zugriff auf Infos aller Art praktisch uneingeschränkt möglich ist, ist es paradox, dass Medienerziehung aus der Mode gekommen ist, bzw. in vielen Fällen mit Ausbildung zum Computeruser verwechselt wird. Sicherlich, E-Mails verschicken, Internetsuchabfragen oder das Arbeiten mit CD Lexiken wird zunehmend bedeutender werden, und in Zukunft sicherlich zu den normalen Kulturtechniken zählen. Aber dabei sollte nicht vergessen werden, worum es sich dabei handelt, nämlich das um das Erlernen technischer Fähigkeiten, vergleichbar mit Kuverts beschriften oder alphabetisch im Lexikon suchen.

Damit kann mensch die Kids sicherlich nicht alleine lassen.

Gleichzeitig mit dem Erlernen der Bedienung muss auch kritisches Hinterfragen a) bezüglich der Inhalte und b) bezüglich der Hersteller neuer Medien einhergehen. Vernetzungen von Printmedien, TV, elektronischen Medien und Telekommunikation werden zum Standart, nicht umsonst werden astronomische Summen für Handylizenzen gezahlt, oder lassen Medienkonzentrationen Börsenkurse hochschnellen.

An dieser Stelle ein Link zu den Leitvorstellungen des Lehrplans 99.

Den Schülerinnen und Schülern sind relevante Erfahrungräume zu eröffnen und geeignete Methoden für eine gezielte Auswahl aus computergestützen Informationen und Wissensquellen zur Verfügung zu stellen.

"....Im Rahmen des Unterrichts ist diesen Entwicklungen (Multimedia, Telekommunikation) Rechnung zu tragen und das didaktische Potenzial der Informationstechnologien bei gleichzeitiger kritischer rationaler Auseinandersetzung mit deren Wirkungsmechanismen in Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar zu machen."

Medienpädagogik heißt für mich Kindern Fähigkeiten zu vermitteln sich Informationen selbstständig aus verschiedenen Medien auszuwählen, Herkunft und Inhalt prüfen zu können, um damit ihre Lebenswelt bestimmen zu können.

Oder um es in den Worten eines Radiokids im Zusammenhang mit einer Sendung über Nationalismus zu sagen: "Ich weiß nicht, ob sich die Meinung in der Klasse verändert hat, aber vielleicht schaffe ich es jetzt, die Leute mehr nach dem zu beurteilen was sie tun, und weniger wo sie herkommen."

 

Roland Czernitc ist Hauptschullehrer in Wien.


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